Auch in Fächern mit hohem Frauenanteil im Studium dominieren nach wie vor Männer die Professuren (zb in meinem Fach Biologie). Ein häufig genannter Grund, warum das nicht im Interesse unserer Gesellschaft sein kann, ist, dass uns viele der besten Köpfe verloren gehen, wenn sie nur aufgrund ihres Geschlechts nicht für Spitzenpositionen zur Verfügung stehen. Es gibt einige Maßnahmen, die Frauen den Zugang zu solchen Positionen erleichtern sollen. Zb will der wichtige Geldgeber DFG bei der Vergabe der fetten Sonderforschungsbereiche sehen, dass unter den Antragstellern (Professoren und andere AG-Leiter) auch Frauen sind. Ein großer Anreiz für Unis, auch weibliche Professoren einzustellen.
Mein Eindruck ist, dass solche Sachen fruchten. Ich höre allerdings auch, dass sich angeblich weniger Frauen unter den qualifizierten Bewerbungen auf solche Stellen finden. In einem Bericht der Uni Münster von 2013 wird angegeben, dass die Bewerbungen auf Biologieprofessuren zu weniger als einem Viertel von Frauen kamen. Wo sind die Frauen geblieben, die im Studium noch brilliert haben? Bei den Abschlüssen gibt es nämlich noch keine Geschlechtsunterschiede in unserem Fach.
Ich kenne leider keine belastbaren Zahlen zu den Gründen, warum Frauen aus der Wissenschaftskarriere eher aussteigen als Männer. Sind Frauen stärker durch die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie betroffen? Wird etwa ihre Forschungsleistung weniger wertgeschätzt, weil Wissenschaft immer noch als Männerdisziplin gilt? (“bei diesem tollen Projekt hat die Erstautorin doch bestimmt nur die Fleißarbeit gemacht, die genialen Ideen kamen doch sicher vom männlichen Zweitautor”). Falls jemand da relevante Erhebungen kennt, würde ich mich über Hinweise freuen.
Aber ich kann ja mal erzählen, wie es bei uns so läuft. Meine Freundin ist wie ich in der wissenschaftlichen Laufbahn. Sie sagt, sie hätte in ihrer gesamten Karriere nie das Gefühl gehabt, sie wäre an irgendeiner Stelle weniger ernst genommen worden, weil sie eine Frau ist. Das deckt sich mit meiner Wahrnehmung. Wenn ich mit Leuten über ihre Ergebnisse diskutiere, spielt ihr Geschlecht keine Rolle. Ich kenne so viele ausgezeichnete weibliche Wissenschaftler auf meinem Karrierelevel (Nachwuchs) genauso wie etablierte weibliche Professoren, die das Feld um Längen vorangebracht haben, dass mir nicht im Traum einfallen würde, Frauen wären irgendwie weniger für diesen Beruf geeignet. Lächerliche Vorstellung.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie finde ich dagegen verdammt schwierig. Wir haben ein Kind, das jetzt fast zwei Jahre alt ist. Wir haben uns die Elternzeit aufgeteilt und insgesamt deutlich weniger genommen als die 14 Monate, die vom Gesetzgeber ermöglicht werden. Wir haben früh die staatliche Kinderbetreuung in Anspruch genommen, damit wir so gut wie möglich weiter arbeiten können. Allerdings haben wir keinen Platz in der Kindertagesstätte bekommen. Stattdessen gibt es eine Tagesmutter. Die hat kürzere Arbeitszeiten. Und wenn sie krank ist, fällt die Betreuung halt aus.
Mein Institut bietet coolerweise den Mitarbeitern einen Platz in einer Kindertagesstätte direkt neben der Arbeit. Super!
Allerdings kommt bei uns noch etwas hinzu, das bei Wissenschaftler-Pärchen recht häufig ist. Dadurch, dass wir beide sehr spezialisiert sind, war es unmöglich, einen Job (der sinnvoll für die Karriere ist) in derselben Stadt zu finden. Deswegen müssen wir beide pendeln, in entgegengesetzte Richtungen. Über eine Stunde pro Strecke. Kinderbetreuung bei der Arbeit fällt sofort ins Wasser wenn zb mal einer von uns auf eine Konferenz fährt. Der andere könnte unmöglich mit einstündiger Anreise das Kind zur Betreuung bringen und dann noch zwei Stunden in die andere Richtung zur Arbeit fahren. Also brauchen wir den Betreuungsplatz am Wohnort. Wenn ich dran bin mit Kind abholen, muss ich um zehn vor zwei Schluss machen. Das ist schon was anderes, als bis spät abends Experimente machen.
Es ist eine sehr naheliegende Option, dass halt einer von uns beiden die Karriere an den Nagel hängt, damit wenigstens der andere klarkommt. Ich vermute, dass Frauen das öfter machen als Männer, aber auch dazu kenne ich keine Zahlen.
Bei männlichen Wissenschaftlern mit Familie sehe ich oft, dass ihre Frauen einen weniger karriereorientierten Beruf haben, zb Lehrer. Manchmal arbeiten sie sogar direkt an der Karriere des Mannes mit, zb als Labormanager. Das sind natürlich andere Voraussetzungen als bei jemandem, der jeden zweiten Tag um Zwei los muss, das Kind abholen.
Meine Freundin hat mal von einem männlichen Kollegen gehört: “Ja, mit Kindern ist es schon deutlich schwieriger. Da muss man zb jeden Tag pünktlich zum Abendessen zu Hause sein.”
Das verrückte: Ich kann ihn nachvollziehen. Ich habe auch immer gerne gearbeitet, wie mich die Motivation gepackt hat. Abends pünktlich Schluss machen müssen kann einen da schon ausbremsen. Aber sich tatsächlich um das Kind kümmern, mit ihm zum Arzt gehen wenn es krank ist, dass Abendessen nicht nur pünktlich essen sondern auch kochen, ist schon ne andere Nummer.
Natürlich kann auch ich meine Karriere an den Nagel hängen und fortan meine Freundin bei ihrer unterstützen. Wenn Männer das genau so häufig machen würden wie Frauen, wäre ja zumindest dahingehend Geschlechtergerechtigkeit hergestellt. Aber gegen die Sache mit den verlorenen besten Köpfen wären wir so keinen Schritt weiter. Ob bei Paaren aus zwei hochqualifizierten Menschen immer nur die Frau aussteigt oder gleich häufig der Mann – so oder so steht einer von beiden nicht mehr zur Verfügung.
Ich weiß nicht, was hier die beste Lösung ist. Anreize für Unis, gezielt Frauen anzulocken (wie die DFG das macht), finde ich gut. So haben die nämlich Spielraum, die besten Strategien dafür zu finden. Kinderbetreuung am Arbeitsplatz ist naheliegend und hört sich verdammt gut an. In unserem Fall greift das aber leider nicht. Wir bräuchten bessere Betreuungsangebote durch die Stadt, in der wir wohnen.
Wie seht ihr das? Warum kommen so wenige Frauen an der Spitze an? Was könnte der Staat machen, um das zu ändern? Wieviel sollte er überhaupt machen? Ist es genauso schlimm (oder schlimmer), dass Frauen und Männer sich genötigt fühlen könnten, überhaupt eine Karriere zu machen, anstatt einfach ein paar Jahre nur für die Kinder da sein zu können?
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