Unter einem meiner letzten Posts ist eine Diskussion zum Klimawandel entbrannt. In bestimmten Punkten besteht wissenschaftlicher Konsens, z.B. darüber, dass CO2 einen Treibhauseffekt verursacht. Trotzdem gibt es Menschen, die das Gegenteil behaupten. Jetzt hat ein Diskussionsteilnehmer geschrieben: Man sollte „auch diesen Leuten Gehör schenken und einen Austausch ermöglichen bzw. veranlassen, und diese Andersdenkenden nicht als (…) Spinner darstellen. Nur zusammen wird man sich der Wahrheit nähern können.“
Das hört sich auf Anhieb toll an. Man muss ja mal über den Tellerrand gucken können. Und seine eingefahrene Sicht auch mal hinterfragen können. Warum sollten Wissenschaftler das nicht auch mal machen? Das Problem ist, dass hier verkannt wird, was wissenschaftlicher Konsens eigentlich ist. Wissenschaftlicher Konsens bedeutet nicht, dass Forscher eine Abstimmung machen und die Mehrheit sagt „naja, wird schon so sein“. Er bedeutet, dass die Zweifel ausgeräumt sind. Wissenschaft läuft so, dass die ganze Zeit alles angezweifelt wird. Geglaubt wird erst, wenn die Zweifel widerlegt sind. Sind keine Zweifel mehr offen, spricht man vom wissenschaftlichen Konsens.
Es kommen immer Leute, die das trotzdem anzweifeln. Das heißt aber nicht automatisch, dass ein langwieriger Austausch mit denen irgendwie angebracht wäre. Lasst mich Euch von der Welteislehre erzählen.
Um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts betrachtete ein Ingenieur mit Namen Hanns Hörbiger den Mond mit seinem Teleskop. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: „Weißte watt? Ich glaube der ist aus Eis!“ Wie er darauf gekommen ist? Na, so was fühlt man einfach, wenn man das Talent dazu hat. Hanns spürte, dass er einer ganz großen Sache auf der Spur war. Er dachte da noch weiter drüber nach und auf einmal ergab alles einen Sinn. Das ganze Universum muss aus Eis bestehen! Und aus Feuer! Und Metall! (Ich als alter Heavy Metal Fan finde ja auch spontan Gefallen an dieser Vorstellung). Der größte Teil besteht aber aus Eis. Die Milchstraße besteht auch aus purem Eis. Und zwar durchgehend. Theoretisch könnte man auf der Schlittschuh laufen. Meteore bestehen natürlich auch aus Eis. Hagel kommt, wenn ein Meteor auf die Erde trifft und in viele kleine Stücke zerbrochen herunterstürzt. Wir hatten vorher mal einen anderen Mond. Der bestand natürlich auch aus Eis. Der war auf die Erde gestürzt und hatte die Sintflut ausgelöst. Diese brillanten Erkenntnisse fasste Hanns in einem Sachbuch zusammen.
Von Hanns‘ Welteislehre hörten auch die echten Astronomen seiner Zeit. Die sahen sofort, dass das Quatsch ist. Nicht etwa, weil es so gegen den Mainstream ging und man so sehr über den Tellerrand hätte blicken müssen. Albert Einsteins Relativitätstheorie kam etwa zur gleichen Zeit heraus und ging genauso gegen den Mainstream. Der wichtige Unterschied war, dass Einsteins Überlegungen zu den astronomischen Beobachtungen passten. Sie konnten erklären, was man sieht. Hörbigers „Lehre“ war offensichtlicher Bullshit. Man wusste z.B. bereits, dass die Milchstraße aus Sternen besteht und nicht eine zusammenhängende Masse ist.
Also, Astronomen wussten das. Aber was wissen die schon? Versteht ja eh kein Mensch, was die sagen! Alles intellektuelle Spießer! Sollen sich mal mit anderen Meinungen auseinandersetzen! Fanden zumindest viele Menschen aus der Bevölkerung. Die gründeten unter anderem eine „Welteisgesellschaft“. Es wurde gefordert, dass Hanns Hörbiger verdammt noch mal endlich eine Professur für Astronomie kriegen sollte, um seine Theorie lehren zu können. Es gab Studentenproteste. Hörsäle wurden gestürmt und die Welteisprofessur gefordert.
Hätte er eine Professur kriegen sollen, obwohl alle Astronomen sofort gesehen haben, dass seine Ideen reine Fantasterei sind? Hätten sich die Astronomen der Universitäten wenigstens mit der Welteisgesellschaft zusammen tun und sich über diese neuen Ideen austauschen sollen, anstatt sie als Spinnerei darzustellen? Natürlich nicht. Das wäre reine Zeitverschwendung gewesen, da Hörbigers Thesen eindeutiger Schwachsinn waren. Sie kamen nur Leuten einleuchtend vor, die nicht genug Ahnung von Astronomie hatten, um den Schwachsinn zu erkennen. Um die zu erreichen, haben damals Wissenschaftler in einfach verständlicher Sprache die Welteislehre auseinander genommen und Stellen aufgezeigt, an denen sie klar den Beobachtungen der Natur widerspricht. Das ist Wissenschaftskommunikation, nicht Wissenschaft.
Und Wissenschaftskommunikation kann auch jeder einfordern. Wir haben das Recht zu verstehen, zu welchen Erkenntnissen ein Feld kommt. Und woher die wissen, warum etwas Schwachsinn ist, obwohl es sich für uns vielleicht erst mal überzeugend anhört. Schließlich bezahlen wir über unsere Steuern das Gehalt dieser Wissenschaftler. Aber nur weil wir noch Klärungsbedarf haben, heißt das nicht, dass es den auch wissenschaftlich gibt.
Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass die Milchstraße aus Sternen besteht und der Mond aus Gestein. Wenn jemand ohne jeden Beweis einfach etwas anderes behauptet, sind dadurch nicht plötzlich diese Fragen wieder ungeklärt. Es ist Konsens, dass Krankheiten von Krankheitserregern ausgelöst werden. Wenn jetzt irgendein Hirnschiss öffentlich wetten sollte, dass es keine Masernviren gäbe, hieße das nicht, dass da wissenschaftlich noch was offen wäre. Das hieße einfach, dass der keine Ahnung hat. Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass CO2 ein Treibhausgas ist. Nur weil irgendwelche Aktivisten einen Verein gründen, den „Institut“ nennen und diesen Konsens ablehnen, werden wissenschaftlich dadurch keine neuen Fragen aufgeworfen. CO2 ist ein Treibhausgas. Der Drops ist gelutscht. Es gibt natürlich viele offene Fragen zu Faktoren, die unser Klima beeinflussen. Ob es einen Treibhauseffekt gibt, ist aber keine davon. Wenn ihr nicht versteht, wie der funktioniert, habt Ihr das Recht, eine Erklärung einzufordern. Aber Vorsicht, wenn Ihr denkt, Ihr könntet Spezialisten auf dem Feld einen Fehler nachweisen, die sich schon ihr ganzes Berufsleben damit beschäftigen.
Wenn Du anfängst, Dich mit einem Thema zu beschäftigen und dabei einen ganz offensichtlichen, riesen Patzer entdeckst, den alle Spezialisten zu dem Thema übersehen haben müssen, ist die naheliegendste Erklärung, dass Du Dich noch nicht ausführlich genug mit dem Thema beschäftigt hast.