Beispiel dafür, wie ein Journalist eine wissenschaftliche Meldung inhaltlich falsch versteht, andere seinen Artikel statt der Originalmeldung als Grundlage für die eigene Story nehmen und dann eine sachlich falsche Aussage um die Welt geht.
NASA beschäftigt zwei Männer, eineiige Zwillinge. Nur einer von beiden ist als Astronaut für fast ein Jahr auf der ISS gewesen. Tolle Gelegenheit, die Auswirkungen so eines Aufenthalts auf den menschlichen Körper zu untersuchen.
NASA-Wissenschaftler untersuchten unter anderem die Expression von Genen (nicht ganz klar, in welchem Gewebe – habe eine Beschreibung bei NASA gefunden, wo von Blut und Wangenabstrich die Rede ist). Die ändert sich als Reaktion auf äußere Bedingungen. Zb untersuche ich gerade, welche Gene ihre Expression in bestimmten Hirnzellen ändern, wenn man Schlafmangel hat. Es ist Wahnsinn, dass wir sowas heute machen können. Das gibt einem einen tollen Ansatz zu untersuchen, welche Mechanismen der Körper anschmeißt oder zurückfährt. Es ist nicht verwunderlich, dass ein Flug in den Orbit die Expression bestimmter Gene (und damit die Aktivität bestimmter Signalwege) verändert. Der interessante Teil liegt darin zu sehen, welche das sind.
In einer Pressemitteilung hat die NASA dann verlautbart, dass nach 6 Monaten zurück auf der Erde nur 93% der Gene des Raum-Zwillings wieder auf ihrem normalen Expressionslevel waren. 7% waren immer noch verändert. Ein Hinweis auf langfristige Änderungen im Körper, die man natürlich jetzt genauer ansehen sollte.
In der Pressemitteilung hieß es, dass 7% der Gene noch verändert seien. Eine schludrige Formulierung. Die Gene selbst verändern sich natürlich nicht – nur, wie stark sie abgelesen werden. Ist halt der Jargon bei Leuten, die damit arbeiten. Wenn man sich ein bisschen mit Genen auskennt, ist auch klar, dass sich nicht einfach 7% der Gene eines Menschen ändern. Wenn sich wirklich Gene in der DNA ändern, sind das Mutationen, und die treten nur in einer einzelnen Körperzelle auf, nie im ganzen Körper. Wir haben im ganzen Körper überall kleinere Mutationen, die wir im Laufe unseres Lebens angesammelt haben. Wenn Sie der Rede wert sind, bringt sich die Zelle selbst um. Geht das schief, macht sie nicht mehr ihre Aufgaben und wird im schlimmsten Fall zu Krebs.
Wäre wirklich 7% des Genoms des Astronauten verändert worden, wäre er kein Mensch mehr. Er wäre weiter von uns entfernt, als ein Menschenaffe. Aber genauso haben das Journalisten verschiedener großer Agenturen verstanden und berichtet. Kelley sei als eineiiger Zwilling, also mit seinem Bruder genetisch identisch, losgeflogen, aber nicht mehr genetisch identisch zurückgekehrt. Massiver Mumpitz.
Eine Zusammenfassung der Geschehnisse gibt es in diesem Artikel (Englisch). Er benutzt den Ausdruck “fake news”, was ich allerdings nicht so sehe. Für mich sind fake news absichtlich in die Welt gesetzte Gerüchte, die als Nachrichten getarnt werden. Diesen Fall hier würde ich als ganz normale Falschmeldung verbuchen. Und halt als Beispiel, dass Redaktionen sich einerseits zu wenig mit Wissenschaft auskennen und andererseits zu viel ungeprüft voneinander abschreiben.
https://www.theatlantic.com/science/archive/2018/03/scott-kelly-dna-fake-news/555794/