Als Hauptschuldiger bei der Entstehung von Alzheimer gilt das Protein Amyloid-beta (kurz:Aß). In den Hirnen von Patienten findet man Verklumpungen (“Plaques”), die hauptsächlich aus Aß bestehen. Mit verschiedenen Methoden wurde gezeigt, dass Aß giftig für Hirnzellen ist, z.B. in Zellkultur. Bei den verschiedenen Formen von erblichem Alzheimer (ca 1% der Alzheimerfälle sind erblich – bei denen bricht es normalerweise viel früher aus – im Film “Still Alice” geht es um diese Variante der Krankheit) findet man immer, dass das mutierte Gen irgendetwas mit Aß zu tun hat. Genveränderte Mäuse, die mehr Aß im Hirn haben, zeigen alzheimerartige Symptome.
Klare Sache, oder? Wir müssen die Anhäufung von Aß im Hirn verhindern, schon haben wir Alzheimer gestoppt! Deswegen haben viele große Pharmafirmen verschiedene Medikamente entwickelt, die genau das tun. Ein Ansatz, den mehrere verfolgt haben, ist der monoklonale Anitkörper. Das ist ein Antikörper, der an Aß bindet und das Immunsystem dazu bringt, das ganze abzuräumen.
In den letzten Jahren sind mehrere dieser Antikörpertherapien gegen Alzheimer spektakulär gescheitert. Erst sah es gut aus. Man konnte z.B. sehen, dass das Aß-Protein im Gehirn wirklich weniger wurde. Aber am geistigen Verfall der Patienten tat sich nichts. Ging einfach weiter.
Es wird heiß diskutiert, was das zu bedeuten hat. Ist es vielleicht bei den Patienten schon zu spät? Wir wissen, dass die Ablagerung von Aß bis zu 40 Jahre vor den ersten Symptomen beginnt. Bis man Gedächtnisausfälle merkt, ist schon eine ganze Menge Hirn beschädigt. Muss man vielleicht Jahrzehnte vorher mit der Therapie beginnen, damit sie wirkt? Das Problem hierbei ist, dass wir nicht verlässlich sagen können, wer in 40 Jahren Alzheimer bekommen wird. Dafür fehlen uns die Biomarker, also die frühen Diagnosemethoden. Allerdings gibt es da die 1% erblichen Fälle. Wenn die einen Gentest haben machen lassen, wissen sie, dass sie mit ca 40-50 Jahren Alzheimer bekommen werden. Bei denen kann man die Therapie früh beginnen und dann sehen, ob sich dadurch die Symptome herauszögern lassen. Auf diese Art werden gerade mehrere Medikamente getestet, die bei akutem Alzheimer den Verfall nicht mehr aufhalten konnten (laufende klinische Studien mit Testmedikamenten: https://www.nia.nih.gov/research/ongoing-AD-trials).
Im Forschungsfeld wird aber auch diskutiert, ob die Konzentration auf Aß vielleicht eine Sackgasse ist. Schon lange gibt es Wissenschaftler, die vermuten, dass Aß zwar typisch für Alzheimer ist, aber nicht der Hauptschuldige. Aß-Ablagerungen zu verhindern würde demnach die Krankheit nicht abmildern können. So wie man Masern nicht ungefährlicher machen würde, wenn man nur die roten Punkte im Gesicht verhindern könnte.
Diese Unsicherheiten und kostenreichen Fehlschläge (ca 2 Milliarden $ Entwicklungskosten pro Medikament) haben dazu geführt, dass eine der größten Pharmafirmen der Welt, Pfizer, Anfang des Jahres alle Alzheimerforschung eingestellt hat. Eine riesen Entäuschung für alle, die auf wirkungsvolle Medikamente hoffen. https://www.healthcare.digital/single-post/2018/01/27/Why-is-Pharma-pulling-out-of-Alzheimer’s-drug-research-in-2018
Und jetzt vor 2 Monaten diese Nachricht. Der monoklonale Antikörper BAN2401 konnte den geistigen Verfall in akuten Alzheimerpatienten um 26% vermindern. https://www.eisai.com/news/2018/news201866.html Dieser Antikörper unterscheidet sich von anderen darin, dass er es ganz selektiv nur auf eine bestimmte Form von Aß abgesehen hat. Nicht auf die großen Klumpen (Plaques), auch nicht auf die ganz kleinen Moleküle, sondern auf die dazwischen, sogenannte Protofibrillen. Sie haben schon angefangen, sich zu kleinen Fäden zusammenzulagern, sind aber immer noch so klein, dass sie in der Hirnflüssigkeit gelöst sind und nicht als Klumpen vorliegen. In Zellkultur war entdeckt worden, dass dieser Antikörper speziell die Anreicherung von Aß in sogenannten Astrozyten verhindert (eine Art von Hirnzellen, die keine Nervenzellen sind).
Macht das wirklich den großen Unterschied? Das wird sich zeigen, wenn sich das Ergebnis in einer zweiten Studie bestätigt. Die ist nötig, weil das erste positive Ergebnis erst mit Verzögerung eingetreten ist. Eigentlich sollte die Studie nur 12 Monate dauern. Dann sollte geschaut werden, ob man mit statistischer Sicherheit eine Wirkung oder eine Wirkungslosigeit feststellen kann. Das Ergebnis war weder noch, also dass man weder das eine noch das andere sicher sagen konnte. Deswegen wurde die Studie auf 18 Monate verlängert, wo sich dann der beschriebene Effekt zeigte. Dass es statistische Probleme erzeugt, einfach nochmal zu testen, wissen alle, die mein Video zur “statistischen Signifikanz” kennen https://www.youtube.com/watch?v=M8ylrYgGAYA
Es gibt also zwei Möglichkeiten: Entweder dieses Medikament braucht ein bisschen länger zum Wirken als gedacht. Oder wir sehen nur eine zufällige Schwankung.
Meine Daumen sind gedrückt, dass die erste Möglichkeit sich als wahr herausstellt. Alle Augen auf die nächste Studie. Das wäre so großartig!