Es gibt so ein ganz bescheuertes Argument gegen Veganismus. Ich selbst bin kein Veganer, aber ein Freund der gepflegten inhaltlichen Auseinandersetzung. Es gibt kaum etwas, das mich mehr nervt als bescheuerte Argumente.
Wenn ein Veganer anführt, dass er die Nutzung tierischer Produkte für unmoralisch hält und sie deswegen vermeiden will, entsteht beim Gegenüber typischerweise das Bedürfnis, ihm Inkonsequenz nachzuweisen. “Aber deine Schuhe? Deine Seife? Dein Kleber?” Der benutzt doch bestimmt selbst auch irgendwelche tierischen Produkte!
Das ist dann nicht etwa das nachvollziehbare Interesse daran, inwieweit tierische Produkte unser Leben durchziehen und wie schwierig es tatsächlich wäre, sie zu vermeiden. Es ist als Argument gemeint. Wenn dann irgendein Tierprodukt im Alltag des Veganers gefunden ist, folgt eine Lautäußerung der Genugtuung und ein “Aha! Du hältst dich also selbst nicht dran!” Als wären damit alle Punkte, mit denen er vorher seine Meinung begründet hat, widerlegt.
Sind sie nicht. Freunde, ob der Typ es schafft, auf seinen Lieblingswein (mit Gelatine geklärt) zu verzichten, ändert Null und Nichts an seinen Argumenten. So eine “Überführung” ist kein Gegenargument. Wenn jemand mich mit seinen Argumenten gegen Fleischkonsum eigentlich überzeugt, aber seinen Lieblingsledergürtel von früher nicht weggeschmissen hat, heißt das nicht, dass seine Argumente irgendwie weniger stichhaltig wären.
Das Absurdeste an diesem Verhalten ist seine Häufigkeit. Irgendwie scheint das die natürliche Reaktion von Menschen zu sein, wenn ihr Lebensstil in Frage gestellt wird.
Aber eigentlich geht es mir gerade überhaupt nicht um Veganismus. Es geht mir um Gretas Segeltrip.
Sie macht einen Punkt daraus, dass sie klimaschonend reist. Zug statt Flieger. Jetzt will sie nach Amerika. Sie nimmt Segelyacht statt Flieger.
Das Netz ist voll von Statements dazu, dass dieser Trip ja wohl auch nicht Co2-neutral ist. So eine Heuchlerin!
Leute. Wie die CO2-Bilanz dieser Segelreise ist, ist völlig egal. Das hat nichts mit nichts zu tun. Es wäre wichtig, wenn sie damit hätte beweisen wollen, dass Reisen mit Segelyachten eine großflächig einsetzbare Alternative zu Reisen mit dem Flugzeug wären. Will sie meines Wissens nicht. Oder wenn sie eine Wette laufen hätte. “In 0.80 Tonnen um die Welt” oder so. Hat sie nicht. Dieser Trip ist egal.
Es wäre auch egal, wenn rauskäme, dass Greta sich heimlich nachts in ihrem Zimmer an brennendem Rohöl die Füße wärmt oder sich Rindersteaks durch die Nase zieht. Ihre Forderung ist, dass politische Entscheidungen zum Klimaschutz sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren sollen. Die Wissenschaft sagt, dass wir schnell und effektiv handeln sollten, wenn wir die Schäden für die Menschheit so klein wie möglich halten wollen. Wie Andere wirbt Greta dafür, dass wir das dann auch tun. Diese Forderung ist nicht identisch mit der Person Greta Thunberg. Fridays for Future ist mehr als Greta. Der Wunsch nach effektivem Klimaschutz ist mehr als Fridays for Future. Auch wenn wir uns alle einigen sollten, dass Greta doof ist und keiner mehr sie zum Geburtstag einlädt – das ändert nichts am Inhalt der politischen Diskussion.
Wer der Meinung ist, dass CO2-Emissionen nicht reduziert werden sollten, muss Argumente dafür liefern. Wer der Meinung ist, dass bestimmte Maßnahmen falsch sind und andere vorzuziehen, muss dafür Argumente liefern. Der Lebensstil, der Charakter, oder die Frisur eines Teenagers oder sonst irgendeines Promis ist kein Argument für irgendwas. “Du hältst Dich ja selbst nicht dran” ist kein Argument für irgendwas. Hört bitte auf, so zu tun. Weniger Promi-Klatsch, mehr Inhalte, bitte. Es geht um was.