Das erste Mal von Optogenetics gehört habe ich 2007, als eine Meilenstein-Studie mit dieser damals brandneuen Methode Mechanismen von Schlaf und Wach in Mäusen beleuchtet hatte. Jetzt wurde die erste wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht, in der mit dieser Methode einem blinden Menschen ein Teil seiner Sehkraft zurückgegeben wurde.
Bei Optogenetics nutzt man lichtempfindliche Proteine, deren Gene man leicht in tierische/menschliche Zellen einschleusen kann. Zum Beispiel mithilfe eines Vektorviruses. Diese Zellen produzieren dann besagtes Protein und sind fortan lichtempfindlich. Die Methode ist irre hilfreich, um neurowissenschaftliche Grundlagen zu erforschen, weil man so gezielt ganz bestimmte Nervenzellen innerhalb eines Verbandes auf ganz bestimmte Art und Weise anregen (oder hemmen) und dann gucken kann, was im Netzwerk passiert. Zum Beispiel ob die Maus die Schlafphase wechselt. Die Entwicklung dieser Methode war ein so unglaublicher Sprung für die neurowissenschaftliche Forschung, dass man ihre Bedeutung kaum übertreiben kann.
Von Anfang an hatten die an der Entwicklung beteiligten ForscherInnen auch direkte medizinische Anwendungen im Sinn. Eine der naheliegendsten war natürlich die (Wieder)herstellung des Sehsinns von Blinden. Zellen in Augen lichtempfindlich machen, in denen sie es nicht mehr sind oder nie waren.Und das, werte Zeitzeugen, hat jetzt zu einem kleinen Teil geklappt. Ganglienzellenn in der Netzhaut eines Mannes (konnte nach Krankheit nur noch hell und dunkel unterscheiden) wurden optogenetisch behandelt, so dass er jetzt einfache Gegenstände zählen und lokalisieren konnte. Noch weit entfernt von scharfem Sehen. Und das auch nur mit einer speziellen “Lichtbrille”, die das Bild in eine geeignete Farbe und Lichtstärke übersetzt und dem künstlichen Sehsinn mit einem gepulsten Signal entgegen kommt. Die lichtempfindlich gemachten Zellen sind auch nicht diejenigen, die im normal sehenden Auge lichtempfindlich wären, sondern welche downstream, also “weiter hinten” in der Verschaltung. Im Prinzip ist das ganze also ein brain-machine-interface.
Diese Entwicklung wird mit Sicherheit rasend schnell weitergehen. Jetzt, wo sie in der Anwendung am Patienten angekommen ist, wird man da auch als Laie einiges von mitbekommen. Ich kann mir vorstellen, dass erstmal diese “Lichtbrillen” und auch die optigenetische Behandlung besser werden, so dass Probanden in ein paar Jahren damit deutlich besser sehen können. Irgendwann wird bestimmt die optogenetische Behandlung so ausgefeilt, dass auch mit dem bloßen Auge schon einiges an Sehleistung erreicht werden kann. Wenn ihr euch dann noch daran erinnern wollt, wie es war, als vollständige Erblindung einfach nicht rückgängig gemacht werden konnte, müsst ihr euch gut einprägen, wie es heute ist. Die Gelegenheit ist bald vorbei.
Originalartikel: https://www.nature.com/articles/s41591-021-01351-4
Schöne Zusammenfassung mit Hintergründen bei Science: https://www.sciencenews.org/article/blindness-retinitis-pigmentosa-gene-therapy-vision-optogenetics