*Post vom 25.5.2018*
Hat mega Spaß gemacht in Heidelberg!
Die Leute von @scienceMarchHD hatten das organisiert und ordentlich die Werbetrommel gerührt. Entsprechend gut gefüllt war der Saal in der Stadtbücherei.
Los ging’s mit Natalie Grams, die aus ihrem neuesten Buch “Gesundheit!” vorlas. Ging darum, dass wir uns in allen möglichen Bereichen des Lebens ganz selbstverständlich auf wissenschaftliche Erkenntnisse verlassen (zb wenn ich was in die Tastatur schreibe, verlasse ich mich darauf, dass der andere das dann auch wirklich auf Facebook lesen kann), aber bei Medizin irgendwie eine Ausnahme machen wollen (zb “nur weil die Studienlage das zeigt, heißt ja noch nicht, dass es auch so ist!” oder “die Wirksamkeit kann halt von der Wissenschaft noch nicht gemessen werden, ist aber trotzdem da!”). Garniert hat sie das mit ein paar erbosten Zuschriften, die sie für derart frevlerische Aussagen regelmäßig bekommt.
Physikerin Kerstin Göpfrich erzählte, wie Wissenschaftskommunikation in UK so läuft. Da hat sie nämlich ihren Doktor gemacht. Während man als Wissenschaftler in Deutschland Sachen wie Blogs oder Science Slams in seiner Freizeit macht und sich währenddessen fragt, ob man in der Zeit nicht doch lieber schon mal die Gefäße für das Experiment morgen hätte beschriften können, wird Kommunikation in UK sehr stark gefördert. Wenn man über ein Fellowship finanziert wird, kann man zb 20% seiner Arbeitszeit offiziell für Kommunikation aufwenden. Außerdem gibt es viele Möglichkeiten, als aktiver Wissenschaftler in Kommunikationsprojekten mitzuarbeiten. So hat Kerstin während ihrer Physik-Doktorarbeit auch eine Weile bei einer Wissenssendung bei BBC Radio mitgemacht. Vorteil für sie: Sie versteht jetzt besser, wie Journalisten ticken und kann jetzt als Wissenschaftler viel besser zb Pressemitteilungen über ihre eigene Forschung verfassen, die den Spagat zwischen wissenschaftlich akkurat und interessant fürs Publikum hinkriegen. Vorteil für den Sender: Ein junger, aktiver Wissenschaftler kennt natürlich neuere Sachen als ein Journalist, der erst nach der Veröffentlichung davon lesen kann. So hat sie eine Sendung über einen tragbaren DNA-Sequenzierer initiiert. Vorteil für alle: es wird viel besser vermittelt, was in der Wissenschaft gerade läuft.
Außerdem stellte sie ihre Aktion “ring-a-scientist” vor. Schulklassen können per Skype mit einem Wissenschaftler sprechen, der zum aktuellen Unterrichtsthema passt. Der kann erzählen, erklären oder Experimente vorführen, ohne dass er viel Zeit dafür opfern muss. Ganz tolle Sache! Wer Lehrer oder Wissenschaftler (von Student bis Professor ist alles gefragt) ist, sollte sich das mal ansehen. http://www.ring-a-scientist.org/modx/de/
Als nächstes war Systembiologe und Science Slammer Lorenz Adlung dran. Der schreibt Gedichte, viele davon über wissenschaftliche Themen. Davon hat er welche vorgetragen. Im Vorfeld hatte er versprochen, sein t-shirt demjenigen zu schenken, der ein Selfie mit einem Plakat der Veranstaltung macht und die Vortragenden markiert. Dann hat ihn aber der wissenschaftliche Enthusiasmus gepackt, und er hat es einfach ins Publikum geschmissen. Nachdem er es sich vom Leib gerissen hat. Um dann mit nacktem Oberkörper einen ziemlich coolen Rap über Wissenschaft und Kommunikation selbiger hinzulegen.
Mein Vortrag ging darum, dass Wissenschaftler nicht nur die tollen Ergebnisse kommunizieren, sondern sich auch den unbequemen Debatten stellen müssen. Es gibt wissenschaftliche Themen, die nun mal kontrovers sind. Da können wir nicht für uns selbst entscheiden, dass das schon richtig so ist, und das hinter verschlossenen Türen einfach machen. Wenn die Forschung zb die Sicherheit aller betrifft oder gegen moralische Normen verstößt, geht es die gesamte Gesellschaft an. Dann muss man offen damit umgehen, was man macht, bzw machen will. Und wenn man es für richtig hält, muss man seine Argumente vorbringen und die Gesellschaft davon überzeugen, dass es richtig ist. Meine Beispiele für solche Forschung waren embryonale Stammzellen, “dual-use” Forschung und Tierversuche. Auf Tierversuche bin ich dann noch näher eingegangen. Wissenschaftler dürfen sich auf keinen Fall einfach darauf berufen, dass ihre Forschung legal ist und dann alles hinter verschlossenen Türen durchziehen. Das erregt zu recht Misstrauen, selbst wenn es völlig unkontrovers sein sollte, was da hinter der verschlossenen Tür vor sich geht. Dafür habe ich an das Bild von Dr. Frankenstein erinnert, der eingeschlossen in seinem Turm gefährliche und unmoralische Sachen fabriziert. Ich glaube, dass das eine von diesen Horrorvorstellungen ist, die einfach in unserem kollektiven Bewusstsein sind. Dieses Bild von Wissenschaft dürfen wir nicht aufkommen lassen, und dagegen hilft nur eins: Transparenz.
Im Anschluss haben die Vortragenden mit dem Publikum diskutiert, moderiert von Wisskomm-Profi Philipp Schrögel. Themen waren: wie erreicht man Leute, die sich von sich aus nicht so für Wissenschaft interessieren (zu Beginn hatte der Moderator per Handzeichen festgestellt, dass die große Mehrheit des Publikums einen Hochschulabschluss und mindestens einen Wissenschaftler in Familie oder näherem Freundeskreis hat)? Wie schafft man Vertrauen in Wissenschaft, wenn “aus der Wissenschaft” ständig widersprüchliche Meldungen kommen, zb dazu, welche Nahrungsmittel jetzt gesund oder ungesund sind? Bei dem Punkt gab es viel Zuspruch zur Idee, dass man eben nicht nur Ergebnisse vermitteln sollte sondern auch die Art und Weise wie Wissenschaft funktioniert. Das würde schon viel Verwirrung ob solcher Meldungen ausräumen.
Ich habe überraschend viele Gesichter gesehen, die ich sonst nur aus dem Internet kenne. Surreal
Zb Natalie Grams, Rüdiger Reinhardt von Mimikama, Michael Pohl, der schon lange dieser Seite folgt und oft mit diskutiert (von dem ist auch das Foto – danke nochmal ), Lars Fischer und Mike Beckers von “wir werden alle sterben” https://youtu.be/8aqyvfOJKCk
Leider habe ich meine Mütze verloren. Ja, die mit den beiden Buttons (ein Gehirn und ein Glas Bier), die ich mir mit meinem Vortrag im November bei @sitpkoeln verdient hatte. *schnüff*
Aber irgendwas ist ja immer…