Wir haben gerade dieses Video über Früh- und Spätaufsteher gemacht.
Darin wird u.a. empfohlen, sich mehr dem Tageslicht auszusetzen, wenn die innere Uhr nicht richtig in den Tag passt, man z.B. abends nicht müde wird und morgens nicht raus kommt.
In den Kommentaren fragen sehr viele Leute: “Wie soll ich mich denn vom Licht wecken lassen, wenn ich morgens im Dunkeln aufstehen muss?”
Braucht man gar nicht. Mittags Tageslicht abkriegen ist auch gut. Wenn man sonst nur in einer schummrigen Beleuchtung rumsitzt, macht helles Licht immer was mit der inneren Uhr. Was genau, hängt von der Tageszeit ab, zu der man es sieht. Dabei geht es nicht nur darum, wann der Sonnenauf- und Untergang ist (bzw. dass man die mit künstlichem Licht vorgaukelt). Auch mitten am Tag passiert was, wenn es plötzlich sehr hell wird.
Das sieht man z.B. in dieser Studie. Die haben ihre 18 Teilnehmer erst 1-2 Tage bei schummrigem Licht rumsitzen lassen und ihre innere Uhr bestimmt, indem sie alle 30-60 min ihre Melatoninspiegel bestimmt haben. Melatonin wird erst gegen spätem Abend ausgeschüttet. Der Spiegel steigt dann an und sinkt irgendwann wieder. Am frühen Morgen ist das Melatonin wieder weg. Dieser Rhythmus läuft weiter, wenn ich z.B. in einer dunklen Höhle oder einer Raumstation bleibe, wo es eigentlich keinen Tag oder Nacht gibt. Man kann also sagen, am Melatonin sieht man, wann unser Körper denkt, dass Nacht ist.
Zu 18 unterschiedlichen Zeitpunkten haben die Forscher ihre Versuchsteilnehmer dann eine Stunde lang mit hellem Licht zugeballert. 8000 lux, ungefähr so hell wie bei wolkenlosem Tag draußen aber im Schatten stehen. Danach saßen die Teilnehmer wieder bei Funzellicht und bekamen ihr Melatonin gemessen. So konnte man sehen, ob und wie weit sich die subjektive Nacht verschoben hatte. Das ist das Ergebnis:
Das obere Bild ist interessanter. Jeder Punkt ist ein Teilnehmer (das untere Bild zeigt dieselben Daten, nur mit Konfidenzintervallen statt einzelnen Punkten). Es sind mehr als 18 Punkte, weil sie einige für bessere Übersicht rechts einfach nochmal geplottet haben, so dass die Kurve länger wird. Auf der x-Achse ist die Zeit in Stunden. Allerdings nicht die Uhrzeit sondern Zeit “relativ zu DLMO”. Das steht für Dim Light Melatonin Onset und ist der Punkt, wo die Melatoninausschüttung gerade losgeht. Also der Beginn der subjektiven Nacht. Normalerweise geht man so 2 h später schlafen. Bei 0 beginnt also die Nacht, bei 2 geht man schlafen, bei ca 10 steht man auf. Zu diesen Zeitpunkten gab es also 1 h helles Licht. Auf der y-Achse ist die Verschiebung aufgetragen, die das Licht verursacht hat. Nach unten (negative Werte) bedeutet, dass sich die Uhr verlangsamt hat, die Leute also in der nächsten Nacht später schlafen gehen würden. Nach oben bedeutet, dass sich die Uhr verschnellert hat, man also früher schlafen gehen würde. Eine durchgezogene Linie verdeutlicht, wo 0 ist, also keine Änderung der Tageslänge. Allerdings saßen die Teilnehmer für die Studie tagelang bei schummrigem Licht ohne Uhr oder Sonnenlicht. Dann verschiebt sich natürlich der Rhythmus ein bisschen, weil man ihn nicht mehr jeden Tag nachstellt. Bei Frühaufstehern wird es jeden Tag früher, bei Spätaufstehern jeden Tag später. Deswegen ist bei ca -30 min noch eine gestrichelte Linie. Die zeigt an, wo man im Mittelwert erwarten würde, wo für die Teilnehmer die neue Null ist. Die Verschiebung durch den Lichtpuls sollte man also eher von der gestrichelten Linie aus ablesen, nicht von der durchgezogenen.
Und was können wir da jetzt ablesen? Helles Licht früh morgens stellt unsere Uhr früher. Licht tagsüber aber auch. Und zwar noch ca. für 10 h nachdem wir natürlicherweise aufstehen würden. Für jemanden, der um 6 Uhr ausgeschlafen aufsteht, wäre das ca 16 Uhr. Ich brauche mich also nicht vom Tageslicht wecken zu lassen, um was gegen meine Euligkeit zu tun. Irgendwann zwischen morgens und nachmittags eine Stunde ans Licht kommen dürfte schon eine Menge reißen.
Achtzehn Teilnehmer sind jetzt nicht gerade beeindruckend viele. Aber ähnliche Kurven wurden auch in anderen Studien zu Tage gefördert, z.B. in dieser hier mit 44 Jugendlichen. Allerdings sind jedes Mal die Versuchsbedingungen ein bisschen anders, und ich fand den Aufbau mit 1 h lang Licht am anschaulichsten für das, was man so im eigenen Leben realistischer Weise umsetzen könnte.
Eine weitere Einschränkung ist die relativ breite Streuung der Daten, also dass einzelne Versuchsteilnehmer recht weit vom Mittelwert abweichen können. Jeder Jeck ist halt anders.
Diese Kurven können also nicht benutzt werden, um exakt abzulesen, um wie viele Minuten sich mein Rhythmus nach vorne verschiebt, wenn ich mich um 12 Uhr eine Stunde lang in die Sonne knalle. Aber sie zeigen sehr deutlich das Prinzip. Morgens und tagsüber helles Licht schiebt den Rhythmus eher Richtung früher, Abends und Nachts helles Licht schiebt ihn Richtung später.
Ich brauche mich also nicht von der Sonne wachkitzeln zu lassen. Ich brauche nicht einmal mit dem Fahrrad im Hellen zu Arbeit oder Schule fahren. Ich dürfte schon einiges erreichen, wenn ich regelmäßig tagsüber rausgehe. Z.B. Mittags- oder Schulpausen draußen statt drinnen verbringen.
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