Gentherapie ist prinzipiell heute schon machbar. Wir haben seit vielen Jahren die Möglichkeit, kranke Gene gezielt zu verändern und so eine Erbkrankheit im Körper zu korrigieren. Theoretisch. Der Haken ist: wie kommen wir an die Zellen im Körper ran?
In der Petrischale klappt das prima. Da können wir alle benötigten Zutaten einfach auf die zu verändernden Zellen draufkippen. Bei den Zellen in unserem Körper geht das nicht so leicht. Deswegen wird fieberhaft nach Wegen gesucht, die Gentherapie zu den Zellen tief im Körper zu bringen. Die größten Hoffnungen liegen hierbei auf Viren. Die haben von sich aus schon die Fähigkeit, in den Körper einzudringen und dort die DNA zu verändern. Wenn man die Viren entsprechend verändert, können sie gezielt Erbkrankheiten beheben. Im diesem Fall ist der Virus ein “Vektor” für die Therapie.
Leider ist das noch Zukunftsmusik. Bis jetzt ist das noch nicht so recht gelungen. Deswegen suchen Forscher nach Möglichkeiten, heute schon Gentherapie anzuwenden. Was ist ganz ohne Vektor machbar?
Eine Lösung ist der adoptive T-Zell-Transfer, über den ich schon ein paar mal geschrieben habe. T-Zellen werden aus dem Blut isoliert, in der Petrischale verändert, und die veränderten Zellen wieder ins Blut injiziert. Knüller!
Eine weitere Möglichkeit haben jetzt Wissenschaftler aus Chicago entwickelt. Eigenhauttransplantation. Man kann Zellen eines Patienten nehmen, daraus Haut züchten und dem Patienten so ein Hautsstück aufsetzen. Das wird viel bei Brandopfern gemacht. Ganz tolle Sache.
Die Forscher haben sich jetzt gedacht: “Moment mal, wenn wir die Hautzellen eh schon in der Petrischale haben, dann können wir die doch auch gleich Gen-verändern!”
Das haben sie jetzt in Mäusen getestet. Sie transplantierten ihnen gezüchtete Eigenhaut, die so verändert wurde, dass sie besonders viel GLP1 produzierte. Von dem weiß man, dass es Appetit zügelt und die Ausschüttung von Insulin anregt.
Die so behandelten Mäuse wurden mit einer besonders fettreichen Nahrung gefüttert. Normalerweise führt das zu starkem Übergewicht und Diabetes-ähnlichen Symptomen wie Insulintoleranz. Beides war in den transplantierten Mäusen reduziert. Natürlich wurde wissenschaftlich korrekt mit gleichzeitig getesteten Kontrollmäusen verglichen, die wie erwartet dick wurden und Insulintoleranz zeigten. Ein kleines Stück extra Haut hielt die Mäuse also schlank und gesund.
In den aktuellen Pressemeldungen zu dieser Studie wird hauptsächlich darüber geredet, ob das menschlichen Diabetes-Risikopatienten genauso gut helfen könnte. Vielleicht. Der größere Punkt ist aber in meinen Augen, dass hier eine ganz neue Art der Gentherapie aufgezeigt wurde.
Alle Gendefekte, bei denen das Problem der Mangel an einem bestimmten Genprodukt (Protein) ist, könnten theoretisch so behoben werden. Und weil die Produktion hier in lebenden Körperzellen passiert, können theoretisch sehr komplexe Regulationsnechanismen greifen (bzw mit eingebaut werden), die etwa in Medikamentenpumpen nur schwer umzusetzen wären. Abgesehen davon, dass man solche Proteine meistens nicht einfach als Medikament herstellen und verabreichen kann.
Ganz tolle Idee, Gratulation nach Chicago! Für Erbkrankheiten, bei denen ein falsches, giftiges Protein hergestellt wird, hilft dieser Ansatz natürlich nicht weiter. Huntington wäre so ein Beispiel. Da benötigen wir nach wie vor einen Vektor, der ins Gehirn gelangt und dort die falsche Geninformation korrigiert.
http://www.cell.com/cell-stem-cell/fulltext/S1934-5909(17)30274-6