Körpereigene Abwehrkräfte stärken, um Krebs zu besiegen. Könnten wir und alle darauf einigen, dass das ein toller Ansatz ist, auch die Fraktion “keine Chemie, lieber körpereigene Abwehrkräfte”, bitte?
Der Begriff “Krebsimmuntherapie” fasst verschiedene Therapieansätze zusammen. Diese neuen Ansätze stellen die Krebsbehandlung völlig auf den Kopf. Wir sehen Therapieerfolge, die vor zehn Jahren als Wunder durchgegangen wären.
Eine Variante ist, irgendein Protein zu nehmen, dass vom Tumor besonders stark exprimiert wird (der Tumor bezweckt damit nichts, er baut einfach Scheiße und exprimiert Unsinn) und es dem Immunsystem zu zeigen. Das greift dann den Tumor an.
Im Prinzip könnte man das wie bei einer normalen Impfung machen – fragliches Protein (Antigen) zusammen mit Wirkverstärker in den Muskel spritzen. Das hat aber zwei Haken. Erstens hat der Körper Mechanismen, eine Immunantwort gegen ein körpereigenes Antigen zu verhindern. Wäre ja auch kacke, weil man sonst eine Autoimmunkrankheit hätte, wo das Immunsystem den Körper angreift. Zweitens: selbst wenn es klappt – dann hat man halt eine Autoimmunkrankheit. Immunsystem macht den Krebs platt aber auch alle anderen Zellen, die dieses Antigen tragen. Wenn das nur vorübergehend wäre, könnte man damit leben. Das wäre halt eine vorübergehende Nebenwirkung. Aber die Immunantwort nach so einer Impfung hält bekanntlich Jahrzehnte oder länger an.
Zum Glück gibt es schlaue Wissenschaftler. Gleich zwei Arbeitsgruppen stellen jetzt vor, wie sie diese Nuss geknackt haben. Krebszellen sind dermaßen oft mutiert, dass sie Varianten von Proteinen tragen können, die so im Körper gar nicht vorkommen.
Mit den neuesten Methoden zur blitzschnellen und vollständigen Genanalyse kann man so eine Krebszelle durchscreenen. Also erst Tumor operativ entfernen, dann Gene angucken. Dann identifiziert man mutierte Gene, die so nur im Tumor vorkommen. Die zugehörigen Proteine nennen sich neo-antigene. Welche das sind, ist bei jedem Tumor und damit bei jedem Patienten anders. Was genau geimpft wird, ist also maßgeschneidert – individuelle Therapie.
Weil diese neo-antigene sonst nirgends im Körper vorkommen, legen die anti-autoimmun Mechanismen des Körpers keinen Einspruch ein. Und wenn man dagegen eine Immunantwort aufbaut, werden auch keine körpereigenen Zellen in Mitleidenschaft gezogen.
Beide Arbeitsgruppen haben das in einer kleinen Zahl von Krebspatienten getestet, und es sieht aus, als hätte es geklappt. Jetzt geht es an größere Studien, um den Sack zuzumachen.
Das alles klappt natürlich nur durch die wahnsinns Fortschritte der Genanalyse. Entwickelt wurden solche Werkzeuge von Menschen, die aus reiner Neugier mehr über Genregulation erfahren wollten. Dass das den Grundstein für eine Art der individualisierten Krebstherapie legen würde, konnte damals niemand riechen. Das nur, falls ihr mal wieder irgendjemanden hört, der über reine Neugierforschung ohne ersichtliche Anwendung schimpft.