Heute vormittag war Keynote Vortrag von Mehdi Tafti. Keynotes sind immer von etablierten Wissenschaftlern, die viele Hörer interessieren. Die haben mehr Zeit und erzählen dann eine vollständigere Geschichte, die meist auch ältere Daten einbezieht. Im Gegensatz zu den vielne kürzeren Vorträgen, wo kleine aber dafür brandaktuelle Puzzelstücke vorgestellt werden.
Tafti ist einer der Protagonisten des “lokalen Schlafs”. Während andere Forscher versuchen, die Schaltkreise im Hirn zu identifizieren, die Schlaf verurscachen, sagt er, dass Schlaf quasi von alleine passiert, wenn man Nervenzellen zusammentut. Was das Gehirn durch spezielle Schaltkreise leisten muss, ist, wach zu sein, wenn es angebracht ist.
Sein Vortrag war in zwei Teile geteilt. Im ersten stellte er Daten von Mäusen vor. Im Labor nutzt man meist Inzuchtstämme, wo jede Maus genetisch fast identisch ist, wie die andere. Wenn man zwei solcher Stämme vergleicht und einen systematischen Unterschied findet – ob aussehen oder verhalten – kann man sich direkt sicher sein, dass der genetisch ist. Das haben sie mit Schlaf gemacht. Verschiedene Mausstämme unterscheiden sich darin, wie schnell sie Schlafdruck aufbauen, also müde werden. Die Geschwindigkeit, mit der sie sich erholen, wenn sie pennen, ist gleich. Dann haben sie zwei Stämme genommen, die sich besonders stark unterscheiden und eine “quantitative Trait Locus” Analyse gemacht. Dafür kreutz man beide Stämme, so dass die Gene von beiden in den Nachkommen wild gemischt sind. Für jeden Nachkommen guckt man, ob er eher so schläft wie Stamm 1 oder wie Stamm 2. Wenn man das über mehrer Generationen macht, kann man immer stärker eingrenzen, auf welchem Abschnitt welchen Chromosoms das Merkmal liegt. Und dann hat man schon fast das verantwortliche Gen.
Außerdem haben sie sich mit modernen Methoden die Genxpression von allen Genen in Mäusen angesehen und geschaut, welche davon mit Schlaf korreliert. Das ist nicht ganz trivial, weil weil man auseinanderklamüsern muss, welche davon mit der circadianen Uhr zu tun haben und welche wirklich mit Schlaf/Schlafverlust. Mit diesen Methoden haben sie drei Gene gefunden, die besonders mit Schlafregulation zu tun haben. Die Idee ist, dass diese Gene (und ihre Genprodukte) ganz lokal die Zellen beeinflussen und so Schlaf regulieren und eben nicht über ein “Schlafzentrum” (das ist aber eine Kontroverse im Feld).
Im zweiten Teil redet er über in vitro Schlaf. Er ist ja der Meinung, dass Schlaf sozusagen der Grundzustand eines neuronalen Netzwerks ist. Deswegen haben sie sich Zellkulturen angesehen. Da hat man Hirnzellen in einer Petrischale. Da können sie Kontakte knüpfen, oder aktiv und inaktiv sein, wie sie Lust haben. (Wer bei “in vitro” an tierversuchsfrei denkt wird hier teilweise enttäuscht. Die Hirnzellen kommen aus einer Maus und können nicht in vitro vermehrt werden. Aber einen Tierversuch im eigentlichen Sinne gibt es wirklich nicht, die Maus wird nur eingeschläfert.) In solchen Hirnzell-Petrischalen haben sie gesehen, dass die Zellen spontan einen langsamen, gleichmäßigen Rhythmus machen. So ähnlich wie in einem schlafenden Hirn. Ist das so was wie Schlaf? Dann müsste man die Schale ja auch aufwecken können. Und das haben sie tatsächlich geschafft, und zwar mit einem Cocktail aus Neurotransmittern, von denen wir wissen, dass sie wach machen. Gibt man den dazu, zeigen die Zellen viel komplexere Aktivitätsmuster und es machen nicht mehr alle das gleiche. So ähnlich wie in einem wachen Hirn. Sie bleiben dann ein paar Stunden “wach” und gehen danach wieder in den schlafähnlichen Zustand. Direkt danach kann man sie nicht wieder aufwecken. Sie brauchen erst mal ein paar Stunden Pause. Wenn man sie eine Weile wach hält und sich dann die Genexpression ansieht, findet man zum großen Teil die gleichen Gene, wie in wach gehaltenen Mäusen.