Dieses Jahr hat für mich einige Änderungen mit sich gebracht. Ich habe mich entschieden, aus der akademischen Laufbahn auszusteigen. Einige haben das vielleicht schon in diesem Interview gelesen. Eine Professur an Land zu ziehen ist für mich in den letzten drei Jahren eher unwahrscheinlicher als wahrscheinlicher geworden, und andere feste Stellen gibt es in der akademischen Forschung nicht. Also abspringen, bevor es zu spät ist. Deswegen habe ich angefangen, über Alternativen nachzudenken. „Irgendwas mit Wissenschaftskommunikation wäre toll“, dachte ich. Während ich dann so dabei war, die Augen offen zu halten und alle Kontakte auszuquetschen, die ich durch mein geslamme, geblogge und getube so kennengelernt hatte, bekam ich aus heiterem Himmel eine Textnachricht von niemand anderem als Mai Thi Nguyen-Kim. „Ich bereite gerade ein Video über Schlafentzug für Mailab vor und möchte Dich nach Deiner Hilfe fragen. Wärst Du heute oder morgen für ein Telefonat verfügbar?“ „Wow!“ dachte ich. „Nichts würde mir größere Freude bereiten!“ Schlaf ist schließlich das coolste Forschungsthema der Welt, und es gibt kaum etwas, über das ich lieber rede. Und dann ausgerechnet mit Mai!
Mai ist Youtuberin und macht den besten deutschsprachigen Wissenschaftskanal im Web. „Hands down“, wie man im Englischen sagt. Ich habe Euch schon öfter ihre Videos nahegelegt, z.B. über Homöopathie, Tierversuche (1, 2) oder Fluorid in der Zahnpasta. Sie kann nicht nur Wissenschaft unterhaltend und verständlich erklären, sie traut sich auch, ernsthaft in die Tiefe zu gehen. Richtig so! Wenn sich jemand Sorgen macht, ob Fluorid denn jetzt nicht doch schädlich ist, dann reicht es eben nicht, wenn man die offizielle Stellungnahme eines Fachverbandes unterhaltsam verpackt. So jemand will ganz genau sehen, was wir wissen, woher wir das wissen und wie sicher wir uns sein können. Ich habe den Eindruck, dass viele etablierte Wissenschaftsformate denken, sie könnten nur Zuschauer dazugewinnen, wenn sie die nicht mit zu viel Wissenschaft abschrecken. Mai zeigt das Gegenteil. Und damit ist sie nicht nur eine erfolgreiche Youtuberin. Sie räumt mit ihrem Kanal auch gerade die etablierten Preise für Wissenschaftsjournalismus ab. Durch sie kommt Wissenschafts-Youtube ganz offiziell im ernstzunehmenden Journalismus an. Wenn jetzt jemand ganz viel Zeit in seinen eigenen kleinen Kanal steckt, ist es sicher leichter, damit ernst genommen zu werden. Sozusagen in Mais Kielwasser. So ging es mir zumindest schon seit einer Weile durch den Kopf.
Hm. Vollzeit Youtube machen und hoffen, dass es funktioniert? Bock hätte ich ja schon. Aber leider keine Ahnung. Wo kommt bei einem Berufs-Youtuber überhaupt das Geld her? Und wie erfolgreich müsste man sein, damit das zum Leben reicht? Wahrscheinlich ganz schön riskant, das wirklich zu versuchen. Vielleicht erstmal was Solideres suchen und irgendwie nebenbei mehr Videos machen? Wie regelmäßig müsste man denn welche raushauen, um absehen zu können, ob das Sinn macht? Lauter Fragen, niemand da, der sie mir beantworten konnte. Und plötzlich erscheint eine Textnachricht ausgerechnet von Mai auf meinem Telefon.
Sie hatte für ihre Recherche einem gemeinsamen Bekannten eine ganz andere Frage gestellt. Der hatte gesagt: „Wenn es in deinem Video um Schlaf geht, sprich doch mal mit Lars“ und ihr meinen Kontakt gegeben. Und so kam es, dass ich ihr über Skype alles erzählt habe, das sie wissen wollte (und noch viel mehr – ging schließlich um mein Lieblingsthema). Davon hat sie sogar Ausschnitte in ihr Video eingebaut.
Als wir fertig waren, habe ich sie dann ordentlich zu ihrem Lebenslauf und ihrem Beruf ausgequetscht. Sie war total hilfsbereit, hat sich viel Zeit genommen und mir lauter gute Tipps gegeben. Youtube, Journalismus, was sonst noch geht. Am Schluss habe ich sie gebeten, die Augen nach Stellen offen zu halten, die auf mich passen würde. Sie wusste ja jetzt, was mir so vorschwebte und kriegt ja in der Wisskomm-Community bestimmt so einiges mit. Darum hatte ich vorher auch andere Bekannte aus dem Bereich gebeten, wodurch schon einige interessante Stellenausschreibungen in meinem Postfach gelandet waren.
Und tatsächlich meldete Mai sich ein paar Wochen später wieder mit dieser Nachricht: „Lars, können wir morgen telefonieren? Ich habe ein Jobangebot für dich.“
„Toll“, dachte ich, „das klappt ja wie am Schnürchen mit diesen Kontakten!“ Ich war sehr gespannt, um was es gehen würde. Hatte sie von einer Stelle gehört, die zu mir passen könnte? In der Presseabteilung an einem Institut vielleicht? Oder von einem Projekt, bei dem ich freiberuflich für ein paar Tage mitarbeiten könnte? Alles, was Erfahrung im redaktionellen Bereich brächte, wäre toll! In eine echte Wissenschaftsredaktion kommt man nämlich nur mit handfester journalistischer Berufserfahrung, so viel hatte ich schon mitbekommen.
„Hast Du vielleicht Lust, für mich zu arbeiten?“ Ich stand mit meinem Fahrrad auf einem kalten Bürgersteig auf dem Rückweg vom Kindergarten, wo ich gerade meinen Kleinen abgeliefert hatte, hielt das Telefon ans Ohr und hatte den Mund offenstehen. „Ich würde gerne mit Mailab mehr von diesen Videos machen, die richtig in die Tiefe gehen, mit hohem Rechercheaufwand. Gleichzeitig mache ich aber jetzt auch lauter anderen Kram, wie die Moderation bei Quarks. Da wäre es toll, wenn ich jemanden hätte, der mir mit Mailab hilft. Interessante Themen aussuchen, recherchieren, ein Gefühl dafür haben, wie man das kurzweilig in einem Video erzählen kann. Da wärst Du genau der richtige für. Tolles Video über Rinderwahnsinn, übrigens.“
😮
Dann ging es darum, dass die Finanzierung noch nicht sicher wäre, sich das aber in den nächsten Wochen klären sollte. Ob ich denn überhaupt Interesse hätte. Ich weiß nicht mehr so genau, was ich geantwortet habe. Aber am nächsten Tag habe ich ihr diese Nachricht geschickt.
Ja, und jetzt habe ich einen neuen Job. Ab Januar geht’s los. Ich lasse euch wissen, wie es läuft 😃
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