Chronic Wasting Disease – wer hat denn davon bitte schon jemals was gehört?
Natürlich jeder, der mein Video über Prionenerkrankungen gesehen hat 😊
Mann, bin ich schon wieder meiner Zeit voraus 😎
Chronic Wasting Disease (CWD) kommt gerade in die Schlagzeilen, weil gerade ein Wissenschaftler in USA versucht hat, die Öffentlichkeit wegen dieser Gefahr wach zu rütteln. Das sehr bedrohliche und leider realistische ökologische Szenario, dass flächendeckend Rehe und Hirsche verschwinden könnten, reicht dazu natürlich nicht. Erst eine Gesundheitsgefahr für Menschen dringt durch.
Michael Osterholm von der Universität Minnesota warnte letzte Woche in einer Stellungnahme vor Abgeordneten seines Bundesstaates vor dieser Gefahr. Seine message: CWD breitet sich rasend schnell unter Hirschartigen aus, gleichzeitig mampfen im ganzen Land Jäger fleißig diese Tiere. Er hält es für eine Frage der Zeit, bis Menschen sich anstecken.
Unrealistisch ist das nicht. Genau so war es schließlich auch beim Rinderwahnsinn BSE, der ebenfalls von Prionen verursacht wird. Sich damit anzustecken, ist zwar sehr schwierig – aber möglich. 231 Menschen sind weltweit gestorben, weil BSE-kontaminiertes Fleisch in den Handel gekommen ist. BSE ist der Grund, dass heute das Vorsorgeprinzip bei uns so groß geschrieben wird. Demnach wartet man mit der Gefahrenabwehr nicht, bis die Gefahr bewiesen ist, sondern handelt schon, wenn sie realistischerweise sein könnte.
Wir wissen, dass CWD genau wie andere Prionenerkrankungen sich schwer tut, von einer Art auf die andere überzugehen. Dieses Phänomen nennt man Artenbarriere. In mehreren Studien war es nicht gelungen, Makaken anzustecken, oder Mäuse, deren Prionproteine gentechnisch dem Menschen ähnlich gemacht worden waren. Allerdings gab es Anzeichen einer Infektion mit Totenkopfäffchen. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28139079/
Dass Menschen sich mit CWD anstecken können, muss also als realistische Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Deswegen heißen nach Osterholms Warnungen viele Schlagzeilen:
SPRINGT DIE HIRSCH-ZOMBIE-KRANKHEIT JETZT AUF MENSCHEN ÜBER???
Als Horror-Fan wertschätze ich natürlich die Ästhetik solcher Schlagzeilen, kann aber schon mal so weit beruhigen, dass uns vermutlich keine Zombie-Apokalypse bevorsteht. Auch wenn Prionen immer irgendwie an Zombies erinnern und betroffene Hirsche auch ein bisschen untot wirken, sind die Auswirkungen einer Prionenerkrankung eher wenig actionreich – man wird halt krank und stirbt.
Und wenn wir Pech haben, kann CWD Menschen anstecken und töten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Viele erwischen würde, weil wir ja noch die Artenbarriere haben. Selbst, wenn die nicht wasserdicht sein sollte, wird sie doch zumindest eine Ansteckung erschweren.
Zombie-Fans unter euch ist vielleicht noch ein weiteres Detail aufgefallen. BSE können Kühe nur kriegen, wenn sie andere Kühe essen. Deswegen war es auch relativ leicht, das wieder in den Griff zu kriegen. Einfach aufhören, Tiermehl zu verfüttern. Hirsche können sich allerdings gegenseitig anstecken, vermutlich über den Kot, vielleicht sogar Spucke. Wenn jetzt einer von hunderttausenden Jägern oder Wildbretliebhabern das Pech hat, dass er sich wirklich bei so einem Hirsch ansteckt – dann wäre die Artenbarriere ja durchbrochen, oder? Könnte der jetzt mit seiner feuchten Aussprache andere Menschen anstecken und eine Pandemie auslösen? Kommen wir so doch noch zu unserem Zombie-Szenario?
Das habe ich vor ein paar Jahren auch mal meinen damaligen Chef gefragt, der schon ewig an Prionen forscht. Der meinte, dass die Verteilung von Prionen im Körper nach heutigem Wissen von der Tierart abhängt, nicht vom Prionenstamm. Heißt also, dass Menschen zwar verschiedene Prionenerkrankungen kriegen können (die unterschiedlichen Prionenstämme). Es gilt aber: wenn du eine davon nicht mit deiner Spucke verteilen kannst, kannst du es bei keiner.
Falls Ihr Euch jetzt wegen CWD wieder beruhigt haben solltet – hört sofort auf damit! Diese Krankheit ist in der Tat ein Grund zur Besorgnis. Die Gefahr für Menschen ist zur Zeit noch sehr hypothetisch. Aber die für Hirsche und Rehe ist real. CWD breitet sich rasend schnell aus. Wenn das so weiter geht, kann das wirklich mies ausgehen. Es macht nicht vor Naturschutzgebieten oder Nationalparks halt, vor vom Aussterben bedrohten Arten, oder nimmt Rücksicht auf die Bedeutung der Hirschartigen für die Ökosysteme. Wir haben kein Mittel gegen die Krankheit und alle Bemühungen, die Ausbreitung einzudämmen, waren bislang erfolglos. Es braucht Forschung. Und Gefahrenbewusstsein.